Anregungen zur bevorstehenden Umgestaltung der Rheinanlagen und Bürgerbeteiligung

Herr Maifarth hat mit seinen Leserbriefen vom 19. März und 4. Juni in „Rund um Boppard“ völlig recht: Boppards wohl wichtigste Prachtstraße, die Rheinallee mit den Rheinanlagen, steht im Zuge des Planungswettbewerbs vor erheblichen Veränderungen – aber die Bevölkerung ist bislang nicht ausreichend informiert oder eingebunden. Der anstehende Auslobungsprozess bestimmt, welches Bild die Straße, die Promenade, ihre zugehörigen Aufenthaltsbereiche, Grünflächen, Parks und Uferbereiche in Zukunft abgeben werden. Zu wünschen ist uns ein visionäres Konzept, das sowohl ein stimmiges Gesamtbild als auch bis ins Detail gut und kreativ durchdachte Lösungen aufweist, um noch in mehreren Jahrzehnten unser aller Akzeptanz und die unserer Gäste zu finden. Viele Bereiche, vor allem in den Georg-Francke- und Ome-Anlagen, sind dabei nach wie vor so qualitätsvoll, dass es partiell ausreichen kann, den Gehweg, die Randsteine, die Beschilderung, die Parkbänke und das Geländer auszubessern. An anderen Stellen erscheinen größere Veränderungen sinnvoll, die selbstverständlich im Sinne des von der Stadt beschlossenen Klimakonzeptes stehen müssen.

Dass bei einer Umgestaltung der Rheinanlagen und der Rheinallee ganz besonders sensibel vorgegangen werden muss, erklärt sich schon aus der Vielzahl an Funktionen, die dieser Stadtteil erfüllt: Er bietet Naherholung für die Ansässigen und TouristInnen, welche sich zu Fuß, mit dem Rad, mit Hunden, zum Sportmachen, zur Nutzung der Fähre und der Rheinschifffahrt, bei Veranstaltungen wie dem Zwiebelmarkt und Kurkonzerten, zum Ausgehen in den Cafés und Restaurants, zum Picknicken, zum Spielen, zum Sehen und Gesehen werden und zum Treffen mit FreundInnen dort aufhalten. Er dient der Verkehrsanbindung der Gastronomie, Hotellerie und der Anliegerschaft, bislang auch sehr häufig als Parkplatz und Straße des Durchgangsverkehrs. Er ist die grüne Lunge dieser Stadt und dort, wo sein alter Baumbestand erhalten geblieben ist, ein wichtiges Habitat und ein im Sommer zuverlässig angenehm temperierter Ort. Er ermöglicht, von der Innenstadt aus mit wenigen Schritten die Schönheit der Topographie und der Kulturlandschaft des Mittelrheintals zu erfassen. Er ist Identifikationsanker und Aushängeschild der gesamten Stadt und bestimmt, wie Boppard von beiden Ufern des Rheins sowie von Schiffen aus wahrgenommen wird. Er ist ein geschichtsträchtiger Ort mit überdurchschnittlich viel kulturellem Erbe und vermutlich alle, die in Boppard wohn(t)en, verbinden prägende Erinnerungen mit ihm.

Was wie eine banale Auflistung selbstverständlicher Dinge klingen mag, muss vor jeder Umplanung analysiert und verstanden werden. Denn damit die am Wettbewerb teilnehmenden Planungsbüros Entwürfe vorlegen, die uns hoffentlich alle überzeugen, müssen wir ihnen im Auslobungstext erklären können, welche Schwerpunkte uns wichtig sind, was wir denn beibehalten, aufgeben oder verändern möchten. Vermieden werden sollten hingegen Andeutungen von Alternativlosigkeit und unnötige Vorgaben im Detail, welche die planerische Kreativität einschränken, die besten Ideen und ein stimmiges Gesamtbild verhindern würden. Insofern schlagen wir der Verwaltung und dem Rat folgende inhaltliche Änderungen am zuletzt vorgelegten Auslobungstext vor, welcher im Ratsinformationssystem der Stadt Boppard nachgelesen werden kann (Vorabzug vom 17.5., verfügbar unter: https://www.boppard.sitzung-online.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=768 ):

• Der Abriss des jetzigen Musikpavillons sollte nicht zwingend vorgeschrieben werden (vgl. Kapitel C.2). Das Gebäude ließe sich ohne Zweifel auch ertüchtigen und umnutzen, beispielsweise zu einem Regie- und Technikraum einer neuen Veranstaltungsbühne oder zu einer Aussichtsplattform. In seiner Größe, dezenten Gestaltung und Umfassung durch hohe Hecken bettet sich das jetzige Gebäude gut und zurückhaltend in den Park ein und es sollte den PlanerInnen vorbehalten bleiben, ob sie einen Abriss vorschlagen oder nicht.

• Vorschläge zur Lage und Architektur einer neuen Veranstaltungsbühne sollten den Planungsbüros ebenfalls freigestellt bleiben. Die jetzigen Vorgaben (vgl. Kapitel B.3.3. und C.2) verhindern, dass die WettbewerbsteilnehmerInnen neue Lösungen vorlegen, die in der bisherigen Diskussion um einen Bühnenneubau komplett untergingen. Dabei könnte es sich um eine Freilichtbühne handeln, die ähnlich eines Amphitheaters in die Tiefe anstatt in die Höhe strebt. Es könnte auch ein sogenanntes „Heckentheater“ nach dem Vorbild von Salzburg, Weimar oder Potsdam geschaffen werden, das sich durch Verzicht auf Beton und Versiegelung hervorragend in einen Park integrieren würde. Im Falle einer Rheinbühne (in Anlehnung an die Varianten D und E) könnte eine Bühnenplattform am Ufer oder über dem Rhein den historischen Verlauf der „Eisbrech“ (der ehemals auf Höhe des Sandtors in den Rhein ragenden Stadtmauer) wiederaufgreifen und – wenn die herausnehmbaren Wände nur im Veranstaltungsfall montiert würden – auch ganzjährig als Aussichtsplattform genutzt werden. Ebenfalls in Betracht käme eine Weiterentwicklung der Sporthalle des Kant-Gymnasiums zu einer Kombination aus Veranstaltungs- und Sporthalle, wie vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz vorgeschlagen – denn ein Abriss und Neubau der Sporthalle ist ohnehin im Gespräch. Synergieeffekte sind die Königsdisziplin und es spricht für eine gute Planung, wenn die unterschiedlichen Interessen miteinander in Einklang gebracht anstatt gegeneinander ausgespielt werden. Ein Bühnenneubau, der einseitig die Anforderungen von Veranstaltungen berücksichtigt, dabei baulich auf den Parkcharakter und funktional auf die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen an den mindestens 320 Tagen im Jahr, an denen keine Aufführungen stattfinden, keine Rücksicht nimmt, verbietet sich.

• In der jüngeren Vergangenheit umgestaltete Teilstücke der Rheinallee sollten nicht, wie derzeit vorgeschlagen (vgl. Kapitel C.4), gänzlich vom Ideen- und Realisierungsteil des Wettbewerbs ausgeschlossen werden, sondern geringfügig und somit kostengünstig von den PlanerInnern gestaltet werden dürfen. Denn ein „Gesamtkunstwerk Rheinallee“ kann erst entstehen, wenn sich keine harten Brüche, sondern behutsame Übergänge zu benachbarten Bereichen ergeben und jeglicher Bestand integriert werden kann. Warum etwa sollten einheitlich gestaltete Sitzbänke, Grünelemente oder Ladesäulen für E-Bikes von den PlanerInnen nicht auch vor der Burg vorgeschlagen werden können, wenn sie links und rechts des Abschnitts zum Einsatz kämen?

• Der Vorschlag einer weitmöglich autofreien Rheinallee (vgl. Kapitel B.2.2. und C.4) ist sehr zu unterstützen. Dabei ist ein schlüssiges Verkehrskonzept zu entwickeln, das die Anschlusszonen und alle Straßen der Innenstadt berücksichtigt. Denn auch die Eltzerhofstraße und Christengasse sind vom Autoverkehr geplagt – da aber eine Anbindung der Fähre, der Gastronomie und Hotellerie sowie der Anlieger gewährleistet bleiben muss, darf die Rheinallee nicht außerhalb ihres Zusammenhangs gedacht werden.

• Hinsichtlich einer Verlegung der Parkplätze ist die Errichtung eines begrünten Parkhauses auf dem Polizeiparkplatz ein guter Vorstoß zur effizienteren Flächennutzung. Der Raum zwischen den Alleebäumen könnte durch Stauden und Sträucher endlich ansprechender gestaltet und in Ergänzung zur Außengastronomie auch besser genutzt werden, etwa als zweiter Flanierweg mit Picknicktischen und Sitzbänken. Eine Tiefgarage unter dem Karmeliterplatz aber ist abzulehnen. Nicht nur aus Kostengründen, sondern vor allem deshalb, weil es sich um einen städtebaulich wie historisch extrem wertvollen Platz handelt, denn unter dem 1867 nach einem Stadtbrand angelegten Platz ruht bedeutendes archäologisches Kulturgut, das im Boden am besten aufgehoben ist. Zugleich wäre es eine vertane Chance, wenn man diesen Platz mit Rheinblick in bester Lage, umgeben von der Karmeliterkirche und weiteren prägenden Kulturdenkmalen, nicht zu einem attraktiven, autofreien Ort gestalten würde. Im Übrigen: Für den Bau einer Tiefgarage müssten wohl alle Bäume gefällt werden, denen es danach an Erdreich fehlen würde – warum nicht stattdessen die bislang abgegangenen Bäume nachpflanzen und ein dichtes Gründach erzeugen, unter dem sich im Sommer alle gerne aufhalten und unter das man sich mit einem Buch aus der benachbarten Stadtbücherei setzen könnte?

Sie sehen: Ansichten und Möglichkeiten zur Umgestaltung gibt es viele. Bringen Sie jetzt Ihre eigenen Ideen und Wünsche ein! Nutzen Sie die Zeit, die der Stadtrat durch seine bewusste Vertagung vom 17. Mai 2021 geschaffen hat, um breite Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Diskutieren Sie im Freundeskreis über das Thema, sprechen Sie mit KommunalpolitikerInnen und schreiben Sie Leserbriefe. Teilen Sie mit, welche vorbildhaften Lösungen Sie auf Reisen in anderen Städten entdeckt haben – aber auch, welchen Weg Boppard auf keinen Fall nachahmen sollte. Hervorragend wäre, wenn die Stadtverwaltung diesen öffentlichen Diskurs unterstützen würde, indem sie beispielsweise eine Sammelstelle einrichtet und die Bürgerinnen und Bürger aktiv ermuntert, dort ihre Ideen zur Rheinallee-Umgestaltung als Texte, Skizzen, Fotos, Pläne usw. einzureichen, um sie später öffentlich auszustellen und dem Stadtrat vorzulegen. Auch vor der endgültigen Auftragsvergabe sollte genügend Zeit für eine umfassende Einbeziehung der Bevölkerung eingeplant werden. Zuletzt sei allen empfohlen, sich die visionären Umgestaltungen anderer Städte anzusehen. Paris etwa lässt derzeit seine eigene Prachtstraße, die Avenue des Champs-Elysées durch das Architekturbüro PCA-Stream umgestalten (zu sehen unter: https://www.pca-stream.com/en/projects/champs-elysees-study-48 ). Sicherlich: Boppard ist nicht Paris. Es muss aber auch kein zweites Sankt Goar werden. Stellen wir also einen hohen Anspruch an unser eigenes Handeln!

Für den Vorstand des Stadtverbands Mittelrhein und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Boppard: Kent Michaelis, Vorstandssprecher

Verwandte Artikel